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Zebra

Autorenbild: Fahrni NicoleFahrni Nicole

Aktualisiert: 5. März


Auge in Auge mit einem Zebra, wenige Kilometer ausserhalb von Nanyuki. Eine Begegnung, die mich berührt hat, jedoch auch zum Nachdenken bewegt hat.
Auge in Auge mit einem Zebra, wenige Kilometer ausserhalb von Nanyuki. Eine Begegnung, die mich berührt hat, jedoch auch zum Nachdenken bewegt hat.

Seit meiner Kindheit ist das Zebra mein Lieblingstier. Das habe ich als kleiner Knopf nach einem Besuch im Zoo Zürich beschlossen. Natürlich kamen im Verlauf der Kindheit hie und da ein paar neue Lieblingstiere dazu. So, wie das bei Kindern halt so üblich ist. Einmal gab es eine Phase, da war ich super fasziniert von Schneeleoparden - also war der Schneeleopard für eine Weile ebenfalls mein Lieblingstier. Oder später musste ich einmal in der Schule einen Buchvortrag halten und las dafür das Buch "Wolfsblut" von Jack London. Daraufhin drehte sich für ein paar Wochen alles in meinem Kopf um Wölfe. Wie viele Kinder, hatte ich ebenfalls eine Pferdephase, eine Dinosaurierphase und eine Delfinphase. Doch während der Schneeleopard, der Wolf, die Pferde, die Dinos und die Delfine kamen und gingen, blieb ein Tier immer in meiner Favoritenliste: das Zebra.


Zebras sind nahe Verwandte von Pferden und Eseln. Genauer gesagt - ich bin ja schliesslich Biologin :) - bilden Zebras eine Untergattung innerhalb der Gattung Equus ("Pferde"). Equus ist die einzige Gattung innerhalb der Familie der Equidae (ebenfalls "Pferde" genannt - die deutsche Systematik nimmt es da häufig nicht so genau ;)) mit rezenten, also heute noch lebenden Arten. Zu dieser Gattung gehören neben den Zebras auch das Hauspferd (Equus ferus caballus) und der Wildesel (Equus africanus). Innerhalb der Zebras werden drei Arten unterschieden: das Grevyzebra (Equus grevyi), das Bergzebra (Equus zebra) und das Steppenzebra (Equus quagga).


Was mich nun eben besonders fasziniert an den Zebras, ist, dass sie sich im Gegensatz zu Pferden und Eseln nicht zähmen lassen. Deshalb wurden Zebras bis heute nicht domestiziert. Irgendwie cool, nicht? Da sagen wir immer, der Esel sei stur, dabei kann er seinem Cousin - dem Zebra - in Bezug auf Sturheit wohl nicht annähernd das Wasser reichen.

Ich mag stur, stur ist sympathisch. Es zeugt von einem starken Willen und ich lese darin die Entschlossenheit, sich nicht vollends dem Willen des ach so mächtigen Homo Sapiens zu beugen. Das tut uns Menschen gut und erinnert uns daran, dass es nicht unser Ziel sein sollte alles Wilde zu zähmen und alles Unkontrollierbare kontrollieren so wollen.


Aber ich mag das Zebra nicht nur, weil es stur und wild ist. Ich mag auch sein auffälliges Fell mit dem gestreiften Muster. Sind es dunkle Streifen auf hellem Fell oder helle Streifen auf dunklem Fell? Ich mag solche Fragen - und vielleicht mag ich deshalb auch das Zebra. Tatsächlich handelt es sich um weisse Streifen auf dunklem Fell. Für die Grundfärbung des Fells sorgt das Pigment Melanin, das während der frühen Embryonalentwicklung gleichmässig gebildet wird. Später, während der Entwicklung des Zebras, wird die Melaninproduktion in bestimmten Bereichen der Haut unterdrückt. Dadurch entstehen die weissen Streifen. Das Streifenmuster ist dabei so einzigartig wie ein Fingerabruck - kein Zebra gleicht dem anderen. Dank den Streifen ist das Zebra innerhalb der Herde super getarnt vor Raubtieren, da die Muster in Bewegung die Konturen des Körpers verwischen. Ausserdem wirken die Streifen abschreckend auf Stechfliegen (z.B. Tsetsefliegen). Das markante Fellmuster des Zebras ist also nicht nur hübsch, sondern ein Meisterwerk der Evolution - optimal angepasst an die Umgebung und den Lebensraum.


In meinen Augen ist das Zebra nicht nur perfekt angepasst an die Landschaft hier in Kenia, sondern ein Symboltier für Kenia schlechthin. Zwar weiss ich sehr wohl, dass der Löwe das eigentliche Symboltier Kenias ist. Für mich ist aber das Zebra mit seinem Streifenmuster ein ebenso valides Symboltier. Das Fellmuster des Zebras zeigt einen klaren Farbkontrast zwischen zwei starken Gegensätzen im Farb- und Helligkeitsspektrum. Das macht das Tier zu einem Mahnmal für die Gegensätze und Kontraste, die sich hier in Kenia an vielen Orten zeigen, sei es in der Diversität der Landschaft oder in der Sozialstruktur der Gesellschaft.

Eben noch habe ich das kontrastreiche Fell eines Steppenzebras bestaunt, sitze ich bald darauf in unserem klimatisierten Auto und lenke es über die holprige Staubpiste in Richtung Nanyuki, vorbei an grossen eingezäunten Privatgrundstücken - teils quadratkilometergross und mit protzigen Eingangspforten. Kurz darauf erreiche ich Nanyuki und fahre auf dem Weg in die Innenstadt an winzigen Holzverschlägen mit Wellblechdächern vorbei, in denen teils mehrköpfige Familien wohnen. Ich schlucke schwer - so sichtbar und deutlich sind hier die Kontraste zwischen den Menschen, so gross die soziale Ungleichheit.


Wir fahren weiter, raus aus der Innenstadt in Richtung Muthaiga - eines der gehobensten Wohnquartiere von Nanyuki. Hier wohnen wir auf einem schicken Privatgrundstück - eingezäunt, gesichert, ruhig - zu zweit in einem 4-bedroom-house. Es stimmt mich nachdenklich. Die Kontraste sind gross, die Trennlinien scharf und wir sind klar auf der privilegierten Seite. Ich muss an das Zebramuster denken. Der starke Kontrast zwischen schwarz und weiss auf seinem Fell hat beim Zebra ganz klar Sinn und Zweck. Dagegen ist der Kontrast zwischen Menschen in Bezug auf ihren Wohlstand sinnfrei und durchweg ein soziales Konstrukt. Und anstatt Brücken zu bauen und der sozialen Ungleichheit entgegenzuwirken, bauen wir Mauern, Tore und Grenzzäune. Weisse Streifen auf schwarzem Fell - zwei Farben, die deutlich voneinander abgetrennt sind, so deutlich wie ein Zaun das Innen vom Aussen trennt.


Während ich darüber nachdenke, fahren wir durch das offene Eingangstor auf "unser" Grundstück. Es ist so einfach, sich in der eigenen Blase zu bewegen, in einem sicheren Zuhause, mit Zugang zu allem, was ich brauche. Doch genau dieses Privileg, auf der sicheren Seite zu stehen, bringt eine Verantwortung mit sich. Eine Verantwortung dafür, mit dem eigenen Denken und Handeln zur Aufweichung der sozialen Kontraste beizutragen. Die Grenzen, die sich wie tiefe Furchen durch unsere Gesellschaften ziehen, sind künstlich - geschaffen von uns selbst. Doch wenn wir sie geschaffen haben, können wir sie auch verändern und bewegen. Einreissen wäre schön, aber ganz so einfach ist es nicht. Viel eher braucht es Geduld und den Mut, die Grenzen Schritt für Schritt und Stück für Stück zu verschieben und aufzuweichen. Und das bedeutet, dass wir Zugänge schaffen müssen. Zugänge zu Bildung, zu sauberem Wasser und zu medizinischer Grundversorgung. Dazu braucht es Verbindungen, und damit meine ich nicht nur gut ausgebaute Strassen und sonstige Infrastrukturen, sondern auch Verbindungen zwischen den Menschen selbst. Um dies zu ermöglichen, müssen wir einander zuhören und zusammenarbeiten. Nachhaltige Veränderung braucht immer das kollektive Verantwortungsgefühl aller beteiligter Personengruppen und Akteure. Viele wunderbare Menschen, haben dies bereits verstanden und geben tagtäglich ihr Bestes, um eine Zukunft zu bauen, in der sich die Menschen mehr auf Augenhöhe begegnen können, anstatt sich durch immer grösser werdende Gräben voneinander zu entfremden.


Am Sonntag habe ich zum ersten Mal ein Zebra in freier Wildbahn gesehen. Die Begegnung mit meinem Lieblingstier hat mich tief berührt. Gleichzeitig hat es mich zum Nachdenken angeregt. Vielleicht ist das Zebra für mich mehr als nur ein Lieblingstier - vielleicht ist es ein Symbol für das, was ich in der Gesellschaft verändern möchte. Es ist mein Leitstern und erinnert mich daran, wohin ich mich auch beruflich entwickeln möchte. Denn auch ich möchte meinen Beitrag leisten. Zwar weiss ich aktuell noch nicht, wo ich hier in Kenia damit anfangen soll und wo ich anpacken darf. Für mich ist die Reise in Kenia auch eine Suche nach meiner beruflichen Rolle. Was könnte meine Rolle werden? Ich bin gespannt darauf zu sehen, ob ich diese Frage in der nahen Zukunft hier in Kenia für mich beantworten darf.








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